Japan – Shamisen
Das Shamisen ist ein dreisaitiges Lauteninstrument mit einem auffällig langen Hals, sowie einem relativ gedrungenem Körper. Die Maße des Instruments sind nicht generell normiert, sondern variieren zwischen den unterschiedlichen Musizierstilen. Das Shamisen wird auch als Langhalslaute bezeichnet und trat auf den Hauptinseln Japans erstmals vor ca. 430 Jahren in Erscheinung. Seine Wurzeln gehen natürlich wesentlich weiter zurück, und zwar sowohl in entwicklungs- und zeitgeschichtlichen als auch geographischen Maßstäben. Das Shamisen nimmt unter den traditionellen Musikinstrumenten Japans einen besonderen Platz ein. Denn als eines der wenigen traditionellen Instrumente genießt es auch noch heutzutage eine außerordentliche Popularität. Dies ist nicht zuletzt auf die Verwendung des Shamisen in den Bühnenkünsten Japan`s, vor allem in Kabuki und Bunraku, zurückzuführen. Demnach definiert sich die Popularität des Shamisen vor allem als Element dieser populären Schauspielkünste. Eine weitere Sonderstellung gegenüber anderen Musikinstrumenten nimmt es durch seine Verwendung in der Musik verschiedenster sozialer Schichten, mit Ausnahme der obersten, ein. Kaum ein anderes Instrument Japans hat in gleichem Maße für Kontroversen gesorgt und nur wenige haben ein solch breites Verwendungsspektrum vorzuweisen. Ob Soloinstrument oder Ensemblebestandteil, ob Bühnenmusikinstrument, Kammermusik- oder Volksmusikinstrument, das Shamisen erfüllt die unterschiedlichsten Zwecke oder hat diese in seiner relativ kurzen Geschichte in Japan erfüllt. Heutzutage kann man das Instrument Shamisen an der Tôkyô National University of Fine Arts and Music studieren und sogar graduieren. Konstruktion Das Shamisen besteht aus einem Körper, der aus vier konvex geformten Brettern zusammengesetzt ist. Die bevorzugten Materialien hierfür sind Hölzer von Quitte, Eiche, Maulbeerbaum und Sandelholz. Oft werden diese Bretter auch mit Mustern oder Zeichen beschnitzt, was selbstredend außer ästhetischen oder symbolischen Effekten auch Einfluß auf die Klangqualität des Instruments hat. Dieser Rohkörper wird auf beiden Seiten mit Katzenhaut bespannt. Seltener wird auch Hundehaut verwendet, im gidayu allerdings immer. Dies ist mit der unterschiedlichen Klangqualität der dickeren Hundehaut zu begründen. Die billigere Hundehaut findet auch bei Übungs-Shamisen Verwendung . Nennenswert ist, daß das Tierfell nur durch reine Schrumpfung, zuweilen mit Hilfe von Leim auf den Holzrohkörper appliziert wird. Auf der Tierhaut, über die die Saiten verlaufen, ist ein weiteres, halbmondförmiges Hautstück aufgebracht, und zwar genau an der Stelle, wo der Shamisenspieler mit dem Plektrum die Saiten anschlägt. Dieses Hautstück wird bachigawa (= Plektrumhaut) genannt und dient also dem Schutz der Tierhaut vor Verschleiß. In den Körper wird ein 88 cm langer Hals gesteckt, und zwar so, daß er mitten durch den Kör-per verläuft und sein unterstes Ende aus demselben hervortritt. Hals und Körper werden weder chemisch noch mechanisch fix verbunden , sondern bleiben zerlegbar und damit auch nicht zuletzt transportabel. Für den Hals finden im allgemeinen die gleichen Hölzer wie für den Körper Verwendung. Der Durchmesser des Halses ist auch maßgebend für die Bezeichnung des Instrumentes nach der Bauweise. So unterscheidet man breite, dunkelklingende (futazao), mittelbreite (chuzao) und schlankhalsige, hellklingende Instrumente (hosozao). Die drei Saiten des Shamisen werden zwischen den Wirbeln am oberen Halsende (ein Wirbel pro Saite) und einem Seidenband, dem sog. neo, das am Halsende an der Körperunterseite befestigt ist, gespannt. Die effektive, d.h. die schwingende Saitenlänge wird allerdings durch zwei Stege bestimmt. Der obere, auch kamigoma genannte Steg befindet sich unterhalb des Wirbelkastens am oberen Halsende, der untere, koma genannte Steg befindet sich auf der Haut am unteren Korpusende. Der obere Steg besteht aus Metall, meist aus Gold, der untere Steg aus Elfenbein oder Holz. Allerdings verläuft die untere Saite nicht über den oberen Steg sondern wird seitlich an ihm vorbeigeführt. Direkt unterhalb des oberen Steges befindet sich eine Vertiefung, das sogenannte Tal, gefolgt von einer Erhöhung, dem sog. Berg. Wird nun die untere Saite in Schwingung versetzt schlägt sie immer leicht am Berg auf, so daß ein schnarrender, metallisch klingender Ton entsteht. Dieser Toneffekt wird sawari genannt. Wegen der außerordentlichen Bedeutung des sawari für das Shamisenspiel wird bei der Instrumentenproduktion besonders auf die richtige Saitenspannung, und die korrekte Berghöhe geachtet. Die Saiten werden mit einem ginkoblattförmigen Plektrum angeschlagen, das aus Elfenbein, Holz oder Plastik besteht. Eine Ausnahme bilden die Kammermusikrichtungen jiuta und sankyôku , bei denen die Plektrumspitzen aus Schildpatt bestehen. Die genannten Bauteile ( Hals, Bespannung des Korpus, Saiten, Stege und Plektrum) sind nicht normiert, sondern variieren zwischen den verschiedenen Schulen, und damit auch die Klangqualität. Zur Musik im Allgemeinen Spieltechnik Das Shamisen wird vom Spieler gitarrenähnlich gehalten. Das Plektrum wird mit der rechten Hand gefaßt und mit den Ecken desselben die Saiten angeschlagen. Gleichzeitig mit der Saite berührt das Plektrum auch die Haut des Korpus ( abachigawa ). Außer dem Schlagen der Saite werden Techniken wie Zupfen, Hämmern und Gleiten verwendet. Auch Pizzicatos und Tremolos finden Anwendung. Eine Ausnahme bilden leichtere Shamisenstilarten ( z.B. kouta ) bei denen die Saite mit den Fingernägeln der rechten Hand oder einem kleinem Fingerplektrum in Schwingung versetzt wird. Die schwingende Saite wird generell mit den Fingern der linken Hand, außer Daumen und kleiner Finger, gestoppt. Um die Gleitfähigkeit der Hand am Hals zu erhöhen, wird oft eine Art Daumensocke getragen. Im gidayu wird die linke Hand hierzu oft gepudert. Stimmung, Rhythmus und klangliche Besonderheiten Das Shamisen begleitet normalerweise Gesang mit einer ähnlichen Melodie, ist aber vom Gesang um einen halben Schlag versetzt. So sind sowohl Gesang als auch Shamisen einzeln hörbar, bleiben aber dennoch im Einklang. So wird der gesungene Text verständlicher, und Shamisen und Gesang ergeben einen spannungsreichen Kontrast. Das harte Schlagen der Saiten und des Korpus mit dem Plektrum hat auch die Funktion von Rhythmuserzeugung. Die drei Saiten des Shamisen kennen drei Grundstimmungen, nämlich honchoushi (entspr. den Tönen h, e und h ), niagari ( entspr. den Tönen h, fis und h) und sansagari (entspr. den Tönen h, e und h). honshoushi kann als die Standardstimmung bezeichnet werden, niagari.wird zum Ausdruck froher Stimmung verwendet, sansagari drückt melancholische Stimmung aus. Oft wird die Stimmung der Saiten innerhalb eines Stückes, je nach erforderlicher Stimmung, geändert. Hierbei gilt der Wechsel von honchoushi zu niagari als besonders effektvoll. Die wichtigste Charakteristik der Shamisenmusik, das sawari, entsteht nicht nur durch direktes Anreißen der unteren Saite, sondern auch durch Mitschwingen der Saite wenn die beiden höheren Saiten schwingen. Dies ist besonders der Fall, wenn das Intervall zwischen gespieltem Ton und Stimmung der unteren Saite genau eine Oktave, Quinte oder Quarte beträgt. Geschichte und Genres Während seiner ganzen Geschichte war das Shamisen eher ein Instrument der unteren sozialen Schichten; dies begann sich auch erst nach dem 2. Weltkrieg zu ändern, so daß es heutzutage durchaus seinen Rang hat. Vorher jedoch war es auch in der Halbwelt Japan´s das wichtigste Instrument und eine geisha von Rang und Namen mußte es ab dem 17. Jahrhundert zu ihrem Repertoire zählen können. Besonders die geishas Edo´s erwarben sich einen Ruf im Umgang mit dem Instrument. Ein wesentlicher Entwicklungsfaktor war die Förderung der Shamisenmusik durch die sozial niedrig stehende aber dank ihres Reichtums sehr einflußreiche Klasse der Händler und Kaufleute. Das japanische Shamisen ist eine Modifikation der ab dem 13. Jahrhundert in China auftretenden san-hsien, wobei die Ursprünge des Instrumentes wahrscheinlich bei zentral- oder west-asiatischen Instrumenten wie Sitar oder Qubuz zu finden sind. Das san-hsien wurde allerdings noch mit Schlangenhaut bespannt und war daher vor allem in Gegenden China´s populär, in denen Schlangenhaut leicht erhältlich war; so z.Bsp. in Szechuen und Fukien. Im Jahr 1392, zu Anfang der Ming-Dynastie, wurden 36 Familien von China auf die Ryukyuinseln versetzt, um hier die chinesische Kultur zu verbreiten. Unter anderem wurde so auch die lokale Musik durch das san-hsien erweitert. Es wurde hier schnell zum populärsten Instrument, was es auch noch heutzutage ist, und erhielt hier den Namen jabisen (=Schlangensaite), später Shamisen (= 3 geschmackvolle Saiten). Die Änderung der Konstruktion zum heutigen Shamisen fand wahrscheinlich durch den Ryukyu-Musiker Akainko statt und zwar gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Um das Jahr 1560 kam das Shamisen an Bord von Handelsschiffen über den Hafen Sakai, südlich von Ôsaka gelegen, nach Japan. Da entsprechend große Schlangenhaut in Japan nicht vorhanden war, setzte sich sofort Katzenhaut als Körperbespannung durch. Aus dem Jahr 1561 stammt dann die erste Erwähnung des Instrumentes durch einen Europäer, dem Portugiesen Rodriguez Tçuzzu , der als Übersetzer von Fürst Hideyoshi, später von Tokugawa Ieyasu fungierte. In seinem Japanisch-Portugiesischem Wörterbuch beschreibt er: “Xamixen: Eine Art dreisaitiger Laute”. Der erste namentlich erwähnte Shamisenspieler Japan´s war der blinde Biwa-Interpret Sawa-zumi Kengyo aus Kyoto, auch um ca. 1561. Er benutzte zum Spielen das breite Plektrum des Biwa, das seitdem in Gebrauch ist. Im Verlauf seiner weiteren Geschichte verdrängte das Shamisen die kurzhalsige Laute biwa in seiner Popularität immer mehr. Sawazumi begleitete mit dem Shamisen joruri genannte, dra-matisch-narrative Musikstücke, die damals Teil des Repertoire´s jedes biwa-Interpreten waren, aber auch liedhafte Stücke, die sog. ryukyu kumiuta. Zur etwa gleichen Zeit fing ein blinder Musiker namens Yatsuhashi Kengyo aus Edo mit dem Studium des Shamisen an und begann populäre, liedartige Kompositionen zu schreiben. Demgemäß unterscheidet man narrative, sog. katarimono, und liedhafte oder lyrische, sog. utamono, Shamisenmusik. Außer den joruri zählen auch die naniwa-bushi genannten, melodramatischen Liedstücke zu den katarimono. Geschichte der katarimono Wie erwähnt, kann Sawazumi gewissermaßen als Urvater des joruri bezeichnet werden, dies gilt aber nur dann wenn sich dieser Terminus auf Musik des Shamisen bezieht. Denn der Begriff joruri ist wesentlich älter und bezeichnet generell alle musikalischen Erzählungen, die sich um die Geschichte der Liebe zwischen der Hofdame Joruri und dem General Ushiwakamaru ranken. Ushiwakamaru war ein Heerführer im Japan des 12. Jahrhunderts, um den einige Legenden entstanden; die Geschichte der Joruri entstand jedoch erst im 16. Jahrhundert. Diese Erzählungen wurden musikalisch begleitet, meistens von der biwa, und waren in ganz Japan außerordentlich populär. Außer Sawazumi sorgte auch eine Musikerin namens Ono no Otsu für die schnelle Verbreitung des Shamisen, indem sie zur Begleitung desselben eine Eigenkomposition um die Gestalt besagter Joruri vortrug. Diese Jorurihime Monogatari genannte Komposition wurde höchst populär und in ihrem Sog entstanden weitere musikalische Stücke ähnlicher Art. All diese Stücke fallen unter den Oberbegriff der joruri. Menukiya Chozaburo, ein Schüler Sawazumi´s, kombinierte kurz darauf das Shamisen mit dem Puppenspiel und wurde damit zum eigentlichen Begründer des bunraku. Sein musikalischer Stil überlebte allerdings nicht im bunraku. Der heute im bunraku übliche Musikstil wurde von Takemoto Gidayu (1651-1714) begründet, der 1685 seine Schule in Osaka eröffnete und in der Folgezeit zusammen mit Chikamatsu Monzaemon (1653-1724) eine große Anzahl von bunraku-Stücken kreierte. Folglich heißt dieser Stil auch gidayu. Ein anderer Schüler Sawazumi´s, Satsuma Joun, ging nach Edo und gründete eine Schule, aus der bekannte Meister wie Sakurai Tanba no Jo, Sugiyama Tango no Jo, Satsuma Jiroemon und Toraya Gendayu hervorgingen. Sakurai etablierte einen martialisch-heroischen Stil namens kimpira-bushi, dessen kriegerische Inhalte besonders der Kaste der Samurai zusagten. Dieser Stil wurde aber bald verboten, weil man die Provokation von Aggressionen befürchtete. Sugiyama, der einen weicheren und eleganteren Stil praktizierte, hatte einen Schüler namens Yedo Handayu, der Begründer des handayu-bushi. Masumi Kato, ein Schüler Handayu´s wiederum, begründete den kato-bushi genannten Stil, der ab Mitte des 18. Jahrhunderts etwa ein Jahrhundert lang große Popularität genoß. Toraya Gendayu ging dann von Edo nach Kyoto und gründete seine Schule,die einen sehr sanften Stil vertrat und aus der Interpreten wie Yamamoto Kakudayu kamen. Ein Schüler des letzteren war Miyakodayu Itchu (1650-1724), der den itchu-bushi ins Leben rief. Einer seiner Schüler, Miyakoji Bungo no Jo (1660-1740), der sich in Edo niederließ gründete den sehr populären bungo-bushi genannten Stil. Da die Inhalte des bungo-bushi jedoch sehr häufig Selbstmorde oder Doppelselbstmorde darstellten, befürchtete die Tokugawa-Regierung demoralisierende Effekte auf die Bevölkerung und verbot bungo-bushi. Vom bungo-bushi leiten sich viele populäre joruri-Stile ab; wie z.B. tokiwazu, das von Tokiwazu Mojidayu (1709-1781), einem Schüler Bungo´s, geschaffen wurde. Ein Schüler Tokiwazu´s, Tomimoto Buzen no Jo (1716-1764) gründete den sog. tomimoto-Stil; dessen Schüler Kiyomoto Enjudayu (1747-1825) begründete die kiyomoto-Schule. Eine weitere erwähnenswerte Schule gründet sich auf Tsuruga Shinnai (1717-1786), einem Schüler Fujimatsu Satsuma´s; dessen Lehrer wiederum war besagter Miyakoji Bungo. Geschichte der utamono Aus der Gattung der utamono stammen auch die ältesten Shamisenstücke Japan´s, die oben erwähnten ryukyu kumiuta. Besagter Sawazumi Kengyo übernahm diese von den Ryukyuinseln importierten Lieder bevor er das Shamisen auch zum Vortragen der joruri benutzte. Nachdem die ryukyu kumiuta nach und nach japanische Inhalte erhielten wurden sie bald nur noch kumiuta genannt. Einige Jahre später, zu Zeiten des Shogun Iemitsu, popularisierten die blinden Musiker Yanagawa und Yatsuhashi die sog. jiuta, was etwa „örtliche Lieder” bedeutet. Gemeint ist das Entstehungsgebiet der Lieder in der Kamigata-Region, dem Gebiet um Kyoto und Osaka. Die Inhalte dieser Lieder waren populären Volksweisen entlehnt oder trugen zumindest den Charakter von diesen. Sehr schnell wurde das Shamisen auch als Begleitinstrument für sog. kouta (= kurzes Lied) benutzt; dies waren ursprünglich ohne instrumentale Begleitung gesungene, kurze Volksweisen. Die Bezeichnung kouta wird auch im allgemeinen für Kinder- und geishalieder verwendet. Seitdem bezeichnet kouta aber ebenfalls diese Art Shamisenmusik. Die kouta wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts in das in Mode kommende Kabuki übernommen und gewannen immer mehr an Länge, entsprechend den zeitlichen Erfordernissen des Kabuki. Den derart entstandenen Stil nannte man analog nagauta (=langes Lied). Allerdings wurde auch ein bereits bestehender Stil namens ozatsuma-bushi für das Kabuki adaptiert, leicht variiert und wird seither zu den nagauta gezählt. Auch Einflüsse der sog. naniwa-bushi sind vorhanden. Begründet wurde ozatsuma-bushi von Satsuma Jiroemon, einem Schüler von Sawazumi Kengyo. Außer nagauta finden auch tokiwazu und kiyomoto im Kabuki Verwendung, jedoch ist nagauta der vorherrschende Stil. Das Shamisen ist nach dem eigentlichen Schauspiel und dem Gesang das wichtigste Element des Kabuki. Im Kabuki sitzen bis zu 30 Shamisenspieler hinter der eigentlichen Schauspielbühne auf einer erhöhten Bühne, was nicht zuletzt einen spektakulären Effekt hat. Das Shamisen gehört hier zu einem Ensemble von Nô-Instrumenten, dem sog. hayashi. Wie häufig in der japanischen Musikgeschichte wurde auch die Shamisenmusik des Kabuki von einer Gilde dominiert, nämlich von der Kineya-ryu, die seit 1648 in Kyoto und seit 1657 in Edo existierte und aus der gefeierte Shamisen-Interpreten stammten. Ungefähr gleichzeitig mit den nagauta entstanden die sog. hauta (Anfangslieder), die sich aber bald zu Musik der Halbwelt entwickelten und dadurch bis Mitte des 19. Jahrhunderts viel an Popularität eingebüßt hatten. So reformierte der Musiker Utazawa Sasamaru (1797-1857) auf Betreiben des Shogun diesen Stil, hauptsächlich indem er den Texten die Obszönität und Vulgarität nahm. Die reformierten hauta wurden unter dem Namen utazawa präsentiert. Das Gegenstück zu utazawa ist der Stil namens ogie-bushi, der von Ogie Royu begründet wurde. Ogie-bushi wurde zwar 1766 erstmals im Kabuki aufgeführt, entwickelte sich aber schnell zu einem Stil voller erotischer Anspielungen und fand daher vor allem im Tokyoter Vergnügungsviertel Yoshiwara und seinen Etablissements Verbreitung. Stilmerkmale Im folgenden seien die unterschiedlichen Genres der Shamisenmusik erläutert und zwar getrennt nach katarimono und utamono. Hierbei muß allerdings beachtet werden, daß die Unterschiede zwischen narrativen und liedhaften Stilen oft fließend sind, oder daß sogar ein Begriff beides beinhaltet (z.B. nagauta). Zumindest die japanische Sprache trennt hier aber eindeutig. Man „erzählt” katarimono, aber man „singt” utamono . Eine weitere Charakteristik der Stile, nämlich die Herkunftsgegend, hat auch keinesfalls immer eindeutig abgrenzenden Charakter. Denn zwischen Edo (also Tôkyô) und dem Kamigata-Gebiet (Ôsaka und Kyôto), den beiden Innovations- und Entwicklungszentren der Shamisen-musik, bestand eine hohe Fluktuation führender Musiker. Durch diesen Gedankenaustausch entstanden ebenso neue Entwicklungsanreize, aber die Stile der beiden Gebiete vermischten sich auch. Im Allgemeinen kann jedoch gesagt werden, daß die Stile des Kamigata-Gebietes eher strenger, traditioneller und stärker an Konventionen gebunden waren und sind. Auch war hier der Einfluß des Buddhismus auf die Musik zwingender, was eine strengere Formgebung bewirkte. Im Gegensatz hierzu entwickelten sich im mondäneren Tôkyô, dem dortigen Publikumsgeschmack entsprechend, lockerere und leichtere Musizierstile. In beiden Gebieten war das Shamisen jedoch ein äußerst populäres Instrument der breiten Masse und fand auch in den Halbwelten beider Gebiete häufige Anwendung. Es sei noch bemerkt, daß einigeder folgenden Stilarten heutzutage ausgestorben sind oder nur noch in besonderen Konzertformen existieren. Stilmerkale der katarimono Der Begriff joruri ist, wie bereits erläutert, sehr umfassend und wird im Allgemeinen mit dem Begriff katarimono synonym verwendet. Daher werde ich ihn im Folgenden nicht gesondert erläutern. naniwa-bushi Entstehungsgebiet von naniwa-bushi ist Ôsaka, die gesungenen Texte sind folkloristisch und haben ruralen Charakter. Wegen der unterhaltsamen, zweideutigen Texte bis zum zweiten Weltkrieg hochpopulär, wurde es danach durch amerikanische Popmusik verdrängt. Die Inhalte von naniwa-bushi basieren ursprünglich auf altjapanischen Sitten und Bräuchen und unterlagen in ihrer Entwicklung auch buddhistischen Einflüßen. gidayu-bushi Entstanden im Kamigata-Gebiet wurde gidayu-bushi zum absolut vorherrschenden Stil im Bunraku und ist dies auch heutzutage noch. Das ist auch einer der Gründe für die große Popularität. Der Musizierstil ist relativ schwer und dunkel, was auch die Konstruktion des gidayu-Shamisen verrät. Von allen Stilarten wird im gidayu das schwerste Instrument verwendet, mit dem dicksten Hals (futazao), der dicksten Tierhaut, dem breitesten Plektrum, usw. kato-bushi Die Ursprünge von kato-bushi liegen zwar in Kyôto, aber vollendet wurde der Stil erst in Edo. Die Musik ist in ihrer Stimmung auch typisch für Edo. Es handelt sich um narrative Balladen leichter Stimmung. Anfangs oft im Kabuki verwendet ist es heutzutage fast verschwunden. itchu-bushi Die Ursprünge von itchu-bushi liegen gleichfalls in Kyôto, es muß aber dennoch als Edo-Stil bezeichnet werden. Im Gegensatz zu kato-bushi aber behielt itchu-bushi den schwereren Charakter der Kamigatamusik. Es wurde auch anfangs im Kabuki gespielt, spielt in er heutigen Musik aber keine Rolle mehr. Der Stil gilt trotzdem als elegant und ausgereift. bungo-bushi Auch bungo-bushi entstand in Edo, hat seine Wurzeln aber im Kamigata-Gebiet. Es ist ein narrativer, balladenhafter Stil mit teilweise anzüglichen Texten. Thema ist oft tragische Liebe, die mit Doppelselbstmord endet. Das Tokugawa-Shogunat befürchtete deshalb demoralisierende Effekte und verbot diesen Stil. tokiwazu-bushi Entstand simultan in Tôkyô und Ôsaka und verdrängte das verbotene bungo-bushi mit einem ernsten und geschliffenen Charakter. Es wird seitdem unter anderem im Kabuki gespielt, bevorzugt bei dramatischen Szenen. Es ist heutzutage einer der populärsten Stile. tomimoto-bushi Ähnlich wie tokiwazu-bushi, allerdings weniger populär. kiyomoto-bushi Entwicklungszentren waren Tôkyô und Ôsaka. Kiyomoto-bushi entwickelte sich mit sanften Klängen und ausgeprägter Melodik zu höchster Popularität, vor allem im Kabuki. Sein lyrisch-dramatischer Charakter wirkt hier besonders bei Liebes- oder anderen emotionalen Szenen. Erwähnenswert ist auch der Gesang, der „instrumental” klingt und eine hohe Kunstfertigkeit erfordert. kiyomoto-bushi ist heute eine der beliebtesten Stilarten, und wird wie tokiwazu mit chuzao-Instrumenten gespielt. shinnai-bushi Entstand in Edo und ist durch Passion, Emotion und starke Melodik geprägt. Es fand anfangs im Kabuki Anwendung, war jedoch auch ein sehr beliebter Stil unter Geishas. Wegen anrüchiger Texte wurde es von den Tokugawa verboten, erfreut sich heute aber wieder großer Popularität. Stilarten der utamono kumiuta Entstand im Kamigata-Gebiet und ist ein Vorläufer der anderen Stile. Der Stil war geprägt durch die Aufeinanderfolge mehrerer Kurzlieder und ist heutzutage sehr selten zu hören. jiuta Entstand gleichfalls im Kamigata-Gebiet und verdrängte kumiuta. Jiuta ist auch heute noch als koto begleitete Kammermusik recht beliebt. kouta Ebenfalls ein sehr umfassender Begriff, der sowohl Kinder- als auch geisha-Lieder umfaßt und allgemein für jede Art kurzer, populärer Lieder angewandt wird. Nach dem 2. Weltkrieg erfuhr dieser Stil einen starken Wiederaufschwug und ist noch heute populär. Durch den Bau als hosozao (=dünner Hals, leichte Stege und Saiten, dünne Katzenhaut, usw.) ist der Klang des Instrumentes relativ hell. hauta Das in Edo entstandene hauta bezeichnet ebenfalls populäre Lieder im Allgemeinen, kann aber im Speziellen eine Art Geishalied klassifizieren. Oft wurden alte Volksweisen mit anrüchigen Texten wiederbelebt. utazawa Neuauflage der hauta, allerdings mit „bereinigten” Texten, im Stil aber auch etwas schwerer. nagauta Stammt ursprünglich aus dem Kamigata-Gebiet, entwickelte sich aber erst in Edo zur Vollendung. Nagauta wurde zum dominanten Musizierstil des Kabuki, was es noch heutzutage ist, und fällt im Vergleich zu anderen Stilen durch seine helle Stimmung auf (hosozao). Im Kabuki wird es mit drei Funktionen angewendet: 1. Als Tanzbegleitung 2. Zum Rezitieren 3. Zur melodiösen Untermalung des Schauspieles. Im Kabuki spielt das nagauta-Shamisen als Bestandteil eines Ensembles, des nô-hayashi. Da Shamisenmusik ja fast immer im Zusammenspiel mit Gesang abläuft, fallen beim nagauta im Kabuki besonders die langen, gesangslosen Instrumentalteile auf. Nagauta ist eine der populärsten Musikstilrichtungen der Shamisenmusik. ogie-bushi Dieser Stil war ein typischer Edo-Stil und lebt noch heutzutage mit mäßiger Popularität. Ogie-bushi ist gekennzeichnet durch kurze Musikstücke mit anzüglichen Texten. Dieser Stil fungierte hauptsächlich bei Stimmungsmusik in den Vergnügungsvierteln Edo`s.