Japan – Theater

Einführung

In der ersten Aufzeichnung aus der japanischen Geschichte (Kojiki, 712 n. Chr.) wird von einem Tanz des Gottes Ame no Uzume no Mikoto berichtet. 612 n. Chr. wurde ein dramatischer Maskentanz, gigaku, aus China eingeführt. Als nächstes kamen bugaku und sangaku. Bugaku war Unterhaltung für die Aristokraten und sangaku war als Gegensatz dazu eine Unterhaltungsform für jedermann, bestehend aus Musik, Tanz, Akrobatik, Magie und Puppenspiel. 300 Jahre später entwickelte sich in Japan ein eigener Tanz, der Saragaku. Dieser vermutlich lebhaftere und schelmischere Tanz war sehr populär in Schreinen und bei lokalen Festivals. Heute ist aber nur sehr wenig darüber bekannt. Ebensowenig weiß man über dengaku – ursprünglich ein Fruchtbarkeitsritual. Im späten 14. Jahrhundert etablierte sich aus Elementen des saragaku und dengaku eine neue Unterhaltungsform – das Noh-Theater. Zusammen mit Noh entwickelte sich Kyogen, bestehend aus komischen und realistischen Dialogen. Seit dem 8. Jahrhundert unterhielten wandernde Jäger und ihre Frauen die Leute in den Städten, um sich ihren Unterhalt zu verdienen. Es waren episodische Stücke, gespielt mit kleinen Puppen, die mit den Händen geführt wurden. Zuerst bekannt als ningyo joruri wurde es später Bunraku genannt. Kabuki tauchte zum ersten Mal im frühen 17. Jahrhundert auf und weist Einflüsse des kyogen, bunraku und aus Volkstänzen auf. Aufgrund der meisterhaften Kombination von Schauspielerei, Tanz und Musik stellt Kabuki heute ein außergewöhnliches Spektakel von Formen, Farben und Klängen dar und gehört zu den weltgrößten Theaterattraktionen.

Herkunft des Noh-Theaters

In der Mitte des 14. Jahrhunderts konzentrierte sich das professionelle Theater in Japan in den Gegenden um Kyoto und Nara und die Schauspieler waren in Gruppen organisiert, die entweder zu einem schintoistischen Schrein oder einem buddhistischen Tempel gehörten. Einige Gruppen konzentrierten sich auf dengaku- (poetisch für „Feldmusik“), andere auf saragaku- („Mönchmusik“) Noh. Dengaku entwickelte sich aus frühen „Reispflanz- und Ernteritualen“ und saragaku aus dem sangaku, also aus Akrobatik, Magie, Schwertkämpfen und anderen Varietekünsten, die im 8. Jahrhundert von China nach Japan kamen.

Im Prinzip gab es aber keine sehr großen Unterschiede zwischen beiden Richtungen. Die verwendeten Masken hatten ihren Ursprung in den alten gigaku-Tänzen. Die Musik entstammt schintoistischen Tänzen, buddhistischen Liturgien und Liedern aus dem 10. Jahrhundert (imayo) und dem 13.Jahrhundert (enkyoku – „Partymusik“). Der Tanz wurde vom bugaku (7. Jahrhundert) beeinflußt, vom furyu, einem dramatischen Tanz aus dem 11. Jahrhundert, begleitet von Flöte und Trommel und vom shirabyoshi, getanzt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Frauen aus den unteren Gesellschaftsschichten. Die Geschichten wurden entnommen aus Legenden, der Geschichte, Literatur und verschiedenen aktuellen Ereignissen der damaligen Zeit. Es waren ernsthafte und komödiantische Stücke, letztere unter dem Namen kyogen („verrückte Worte“) als Zwischenstücke zwischen den seriösen Aufführungen. Die meisten der etwa 200 Noh-Stücke entstanden wie die kyogen-Stücke in der Zeit zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Die Thematiken dieser Stücke wurden zum Teil auch für kabuki-Stücke umgesetzt und sind dem Publikum meist bekannt. Unter den Nô-Autoren hat sich besonders Zeami (1363-1443) hervorgetan. Von ihm stammt der größte Teil der Noh-Stücke.

Die Bühne

Seit dem 17. Jahrhundert hat der Aufbau der Noh-Bühne keine Veränderung mehr erfahren. Die Architektur der Hauptbühne mit ihrem Zypressenrindendach entspricht der eines Schintoschreins.

Nohbühne

Die Hauptbühne (butai) ist 6 m x 6 m groß, der seitliche kleine Bühnenteil rechts 6 m x 1,59 m, der hintere Bühnenteil vor dem Pinienbild ist 6 m x 3 m und der Gang links, der zum sogenannten Spiegelraum führt, ist 2 m breit und etwa 10 m lang. Die Bühne ist etwa 85 cm höher als der Zuschauerraum. Vor dem brückenähnlichen Gang stehen 3 kleine Pinien und dahinter noch einmal 2. Auf dem kagamiita, der Bühnenrückwand, die auch der Verbesserung der Akustik dient, ist ein eine große Pinie aufgemalt. Dies soll an die Pinien hinter der Noh-Bühne des Kasuga Schreins in Nara erinnern, auf der der berühmte Kanami spielte. Das Pinienbild ist neben den Bambuszweigen auf der rechten Bühnenwand das einzige Bühnenbild, das benutzt wird. Neben dem Gang vom Spiegelraum gibt es noch eine kleine Schiebetür rechts, der als Zugang für die Schauspieler benutzt wird.

Die gesamte Bühne ist aus polierter japanischer Zypresse (hinoki) erbaut. Die 3 Stufen die von vorn auf die Bühne führen, wurden früher von den Schauspielern benutzt, um sich von den Edelleuten beglückwünschen zu lassen, heute werden sie nicht mehr genutzt und sollen nur noch die Intimität der Noh-Aufführungen verdeutlichen.

Die Benutzung der Bühne ist streng fixiert durch die lange Tradition. Drei oder vier Musiker (hayashikata) betreten die Bühne über den Gang von links und setzen sich auf die Trennlinie zur rechten Seitenbühne. Die Statisten kommen durch die kleine Schiebetür rechts und sitzen auf der rechten Seitenbühne, die 6 oder manchmal auch acht Mitglieder des Chores (jiutai) betreten die Bühne durch die selbe Tür und sitzen auch auf der Seitenbühne. Der Dachpfeiler ganz hinten links ist der „Pfeiler des Komödianten“ (kyogen-bashira), an dem der Komödiant während der ernsten Stücke sitzt und der Pfeiler davor ist der „Pfeiler des Hauptdarstellers“ (shite-bashira). So kann jedem Teil des Stückes ein exakter Platz auf der Bühne zugeordnet werden, sowohl für die Schauspieler selber als auch für die Statisten und Musiker. Unter der Bühne befinden sich große Tontöpfe, um die Resonanz zu verbessern.

Kostüm

Während der Tokugawa-Zeit haben sich die durchweg männlichen Schauspieler zum ersten Mal zu eigenen Organisationen zusammengeschlossen. Die heute existierenden Noh-Schulen sind, wie auch schon in früheren Zeiten, streng spezialisiert, z.B. auf die Ausbildung von Hauptdarstellern oder Statisten oder Flötenspielern. In den meisten Fällen beginnt die Ausbildung im siebenten Lebensjahr. Die Bewegungen zu erlernen und die Stimme zu trainieren erfordert sehr viel Zeit. So gibt es zum Beispiel ca. 500 verschiedene Möglichkeiten, auf der Bühne zu laufen. Prinzipiell haben beide Füße dabei immer komplett auf dem Boden zu stehen, d.h. die Ferse wird nicht gehoben. Etwa 30 dieser kata werden heute noch praktiziert.

Der Ausdruck der Schauspieler wird durch verschiedene Dinge hervorgehoben, je nach Art des Stückes, z.B. durch kleine Bambuszweige, Briefrollen, Schirme und vor allem durch gefaltete Fächer (chukei). Des Schauspielers Kostüm ist immer wertvoll und aus teuerster Seide, auch wenn er einen sehr armen Menschen spielt, nur die Muster und Farben unterscheiden sich dementsprechend. Die Stoffe sind sehr steif, um immer in der selben Form zu bleiben und die Kostüme sind viel größer, um die Schauspieler kräftiger und größer erscheinen zu lassen. Die Ärmel sind lang und weit, um die Gesten der Schauspieler mehr zu betonen. Die Art der heute verwendeten Kostüme wurde im 18. Jahrhundert festgeschrieben und seitdem nicht mehr geändert, viele stammen auch heute noch aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Masken

Das Schauspiel der durchweg männlichen Darsteller ist in seiner Art ein äußerst konzentriertes, in der die Gestik auf wenige, standardisierte Gesten und Tanzbewegungen reduziert ist und sie statt einer Mimik Masken zur Schau tragen. Von diesen gibt es nicht weniger als 50 individuelle Grundtypen, die Menschen und Götter bzw. Dämonen darstellen können. Tanz und Maske unterstreichen und erklären einerseits die Handlung, andererseits verhelfen Sie in ihrer Stilisiertheit und Perfektion einer breiteren Palette von Gefühlen zum Ausdruck.

Noh-Stücke

Die heute noch aufgeführten ca. 240 verschiedenen Stücke kann man in 5 Gruppen einteilen:

  • Götterstücke (kami), der Gott erscheint zuerst in menschlicher und erst später in seiner eigentlichen Gestalt, z.B. als Seeungeheuer, Pinienbaum oder Pflaumenbaum
  • shura-mono, der Geist eines Kriegers erscheint bei einem Priester und wird von diesem erlöst
  • in den kazura-Stücken sind Frauen oder weibliche Geister unglücklich mit ihrer Liebe
  • Gegenwartsstücke, Frauen sind in Trauer aufgrund eines verlorenen Kindes oder einer vergangenen Liebe
  • kiri oder kichiku, allmächtige nichtmenschliche Kreaturen treten auf und tanzen wild und energisch

Der Text der Stücke ist sehr kurz und meistens als Gedicht verfaßt.

Kyogen

Kyogen entwickelte sich wie das Noh-Theater im 14. Jahrhundert. Das Wort kyogen bedeutet im ursprünglichen Sinne eine komödiantische Rolle in einem Noh-Stück, gemeint sind aber die Zwischenstücke bei Noh-Aufführungen. Auch wenn sich Noh und Kyogen zusammen entwickelt haben, die gleiche Bühne und ähnliche Kostüme benutzen und die Schauspieler teilweise in den selben Schulen ausgebildet werden, sind Noh und Kyogen doch in nahezu jedem Aspekt komplett gegensätzlich. Es werden keine idealisierten Charaktere dargestellt, sondern ihre Schwächen, das aber auf versöhnliche, humorvolle Art. Da keine Masken benutzt werden, es sei denn zur Darstellung von Geistern oder Tieren, hat der Gesichtsausdruck des Schauspielers eine tragende Rolle. Die Aufführungen sind nicht so steif, wie im Noh-Theater, sondern voller Dynamik und Leben. Hier zeigt sich auch, daß das kyogen aus der Kunst des einfachen Volkes abgeleitet ist.

Kyogen-Zwischenspiel bei Noh-Aufführungen

Diese Stücke variieren natürlich in Abhängigkeit vom Noh-Stück, in dem sie aufgeführt werden. Ein sehr bekanntes Beispiel ist eine Zeremonie von Okina (alter Mann) und Sambaso. Während beide gleichbedeutende Rollen spielen, wird Okina von einem Noh-Schauspieler dargestellt und Sambaso von einem kyogen-Darsteller. Man kann sich nun schon vorstellen, wie das endet – mit einer Parodie Sambasos auf Okina.

Unabhängige Stücke

Die zwei heute existierenden Schulen haben 260 verschiedene eigenständige Stücke im Repertoire, 174 von ihnen werden noch aufgeführt. Diese kann man nach verschiedensten Gesichtspunkten einteilen, nach dem Inhalt kann man 11 verschiedene Typen unterscheiden, einige davon sind:

  • Daimyo (Feudalherren) -Stücke. Der Hauptdarsteller ist fast immer ein schon alter und etwas verblödeter Herr, der von seinen Untertanen dementsprechend behandelt wird.
  • Muko (Schwiegersohn) -Stücke. Es geht um einen jungverheirateten jungen Mann und seine Beziehungen zur Familie seiner Frau, insbesondere wohl um seine Schwiegermutter.
  • Onna (Frau). Ehefrau-Ehemann-Beziehungen. Die Frau ist meistens etwas herrschsüchtig und tyrannisch ….
  • Yamabushi (Berg-Eremiten) -Stücke. Diese Asketen behaupten doch wirklich übernatürliche Kräfte zu besitzen, am Ende erscheinen sie so menschlich wie man nur sein kann.
  • Oni (Teufel, oder Dämonen) -Stücke. Ähnlich wie die Yamabushi-Stücke, auch ein Dämon hat seine Schwächen.

Kabuki

Kabuki ist eine eher volkstümliche Theaterform, die nicht aus dem Umfeld der Adeligen oder Machthabenden heraus entstanden ist, sondern sich unter den Kaufleuten und Handwerkern entwickelte. Sein Ursprung liegt im frühen 17. Jahrhundert, als die Schreinjungfrau (Izumo-Schrein) Okuni 1603 mit ihren Begleitern im trockenen Flußbett des Kamo-Flusses in Kyoto Tänze und lustige Sketche aufführte.

Dieses onna Kabuki (Frauenkabuki) wurde aber 1629 von Tokugawa verboten, da viele der Schauspielerinnen und vor allem der Zuschauer Prostituierte waren. Somit entstand wakashu Kabuki, mit dem Ergebnis, daß es nunmehr auch männliche Prostituierte gab – viele der Darsteller waren noch nicht einmal 15 Jahre alt – und daß diese Form des Kabuki 1652 wieder verboten wurde. Das Shogunat forderte die Verwendung des Kyogen, also nicht mehr die Darstellung jugendlicher Schönheit, sondern mimisches Spiel. Außerdem mussten die Schauspieler nachweisen, daß sie nichts mit Prostitution zu tun hatten.

In der Edo-Periode erreichte das Kabuki seinen Höhepunkt, es enthielt alles was sich das Herz eines Stadtmenschen dieser Zeit wünschte: schöne Frauen (auch wenn diese von Männern dargestellt wurden), sehr schöne und aufwendige Kostüme und Geschichten voller Liebe, Helden, Mut und Tragik, Götter, Geister und Krieger.

Die Bühne ist großer als eine Noh-Bühne und ihr charakteristisches Merkmal ist der nanamichi (Blumenweg), der die Bühne mit dem hinteren Teil des Zuschauerraumes verbindet und auf dem ein Teil der Aufführung stattfinden kann. Die Schauspieler sind weiß geschminkt und manche tragen ein Maskenbild, entsprechend ihrer Rolle (z.B. ein rotes als Teufel).

Bunraku

Diese Form des japanischen Theaters entwickelte sich während der Edo-Periode und besteht aus unterhaltsamen und ernsthaften Dramen und aufwendig choreografierten Tänzen. Jede Aufführung besteht aus drei Elementen:

  • den Puppen, die etwa 100 bis 150 cm hoch und 5 bis 20 kg schwer sind. Eine Figur wird von bis zu drei Spielern geführt, die dabei in schwarz gekleidet neben den Puppen auf der Bühne stehen.
  • der Rezitation eines epischen Gedichtes (Jooruri), vorgetragen vom tayu
  • der rhythmischen musikalischen Begleitung auf der dreisaitigen Shamisen

Die Puppen können ihre Augen bewegen, die Augenbrauen hochziehen um Überraschung auszudrücken, den Mund öffnen und schließen und Hände und Arme sehr graziös bewegen. Die drei Puppenspieleer an jeder Puppe arbeiten in Perfektion zusammen. Jede einzelne Bewegung wird immer wieder trainiert, bis ein flüssiger Bewegungsablauf erreicht wird. Der Hauptspieler hält die Puppe von hinten mit der linken Hand und bewegt den rechten Arm der Puppe. Der zweite Spieler bewegt die linke Hand der Puppe und der dritte Spieler die Beine. Weibliche Puppen haben nie Beine, in diesem Fall wird der Kimono so bewegt, daß es wie eine Beinbewegung aussieht.

Der jooruri Rezitator, der die Geschichte erzählt, die die Puppen spielen, sitzt zusammen mit dem shamisen-Spieler rechts neben der Bühne, beide in formelle Kimono gekleidet. Der Rezitator singt, spricht und imitiert alle Stimmlagen und Stimmungen und Geräusche, so wie es die Erzählung und das Geschehen auf der Bühne verlangen.

Ein großer Teil des Bunraku Repertoirs wurde im 18. Jahrhundert geschrieben. Nach dem 2. Weltkrieg sind zwar ca. 50 neue Stücke aufgeführt worden, aber neuerdings werden nur noch die klassischen gespielt.