Japan – Konfuzianismus

Konfuzius (Confucius, latinisierte Form für Kung-tse, Meister Kung) lebte um die Wende des 5. zum 4. Jahrhundert v. Chr. und stammte aus der damals aufkommenden Mittelschicht des chinesischen Volkes; diese Schicht setzte sich aus aufsteigenden Bauern und Kaufleuten, und absteigenden Adligen zusammen. Die Macht der alten Adelsfamilien ging verloren; an die Stelle feudalistischer Großklane trat die Macht des Reiches. Allgemein war das Streben nach Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die politisch-sozialen Fragen standen im Vordergrund. Die religiösen Fragen erschienen weniger wichtig. Konfuzius beschränkte sich auf die Forderung, die überlieferten Opfergebräche zu erhalten.
Der Grundbegriff des Konfuzianismus ist die Harmonie des Universums, des Kosmos, der die Natur und die Menschenwelt erfasst. Die Ordnung in der menschlichen Spähre entspricht genau der Ordnung in der Natur. Daher entsprechen die 5 fundamentalen menschlichen Beziehungen (Vater-Sohn, Fürst-Untertan, Mann-Frau, älterer Bruder-jüngerer Bruder, Freund-Freund) den 5 Elementen (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser) und den 5 Himmelsrichtungen (Osten, Süden, Westen, Norden, eigener Standpunkt). Den 5 menschlichen Beziehungen entsprechen 5 Kardinaltugenden: 1. Menschlichkeit, 2. Rechtlichkeit und Wohlwollen, 3. Anstand und Sitte, 4. Klugheit, 5. Zuverlässigkeit.
Schon bei Konfuzius spielte der Begriff des „Li“ (japanisch: rei) eine Hauptrolle. „Li“ umfasste alle Formen des Umgangs mit Menschen und Dingen, ist also mit „Anstand und Sitte“, aber auch mit „Rechtlichkeit und Wohlwollen“, kurz mit der chinesischen Höflichkeit eng verbunden. Zur Höflichkeit gehört auch „Heiterkeit“; daher das Lächeln.
Aus den 5 Kardinaltugenden wurden schon früh drei soziale Pflichten abgeleitet: 1. Loyalität (Untertanentreue), 2. Pietät (kindliche Verehrung der Eltern und Ahnen) und 3. Höflichkeit. Während sich die Gelehrten mit detaillierter Systematisierung der allseitigen Entsprechungen beschäftigten, gewannen im praktischen Leben die Observanzen des Li und die kindliche Pietät die wichtigste Stellung und den oberen Rang. Da die Kinder die Ahnenverehrung fortsetzen und die Ahnen erhalten müssen, wurde Kinderlosigkeit als größtes Unglück betrachtet und Adoption und Nebenfrauen empfohlen. Die Erhaltung der Harmonie geht den Weg vom Kleinen zum Großen. Wenn die Familien in Harmonie sind, ist es auch das Dorf. Wenn die Dörfer in Harmonie sind, ist es auch die Provinz. Wenn die Provinzen in Ordnung sind, ist auch das Reich in Harmonie.
Es war nur natürlich, dass vom chinesischen Konfuzianismus, der mit dem Bildungswissen im 6.Jh. n. Chr. nach Japan kam, alles freudig aufgenommen wurde, was der eigenen, shintoistischen Tradition entsprach, sie bestätigte und verstärkte: die Einheit von Natur und Mensch, die Loyalität und die Pietät. Anziehend war aber auch das Neue und Fremde, das chinesische Hofzeremoniell mit all seinen Formen und Formeln; dies wurde zum Vorbild für die höflichen Umgangsformen. Nicht verwirklichte sich der Versuch, den feudalistischen japanischen Sippenstaat in einen Beamtenstaat zu verwandeln. Trotz äußerlicher Übernahme von Formen und Titeln kam es – auch in der Zeit der Tokugawa-Regierung – nicht zu Staatsexamen. Die Beamten wurden ernannt, und zwar aus dem Samurai-Stand, und viele Stellungen waren wohl auch erblich, wie ja auch die Tempel erblich waren.
In der Edo-Zeit (1600-1868) wurde der Konfuzianismus als offizielle Moral- und Staatsphilosophie eingeführt. Es wurden Hohe Schulen des Konfuzianismus gegründet, und die „Halle des Konfuzius“ in Edo (heute: Tokyo) war ein Zentrum der damaligen Wissenschaft. In den einfachen Schulen (terakoya, Tempelschule) mussten die Kinder konfuzianische Weisheitssprüche abschreiben und auswendig lernen. Die Schulen waren noch Privatschulen, aber wie weit verbreitet Lesen und Schreiben war, zeigen viele (als Holzschnitte gedruckte und illustrierte) Bücher der Edo-Zeit.
Von den drei sozialen Pflichten (Pietät, Loyalität und Höflichkeit) erhielt die Loyalität (chu) in Japan die erste Stelle. Nach dem zweiten Weltkrieg brachte der allgemeine Zusammenbruch auch das Ende des konfuzianischen Moralunterrichtes in den Schulen. Der Konfuzianismus galt als feudalistisch.